Knibbelst du an deiner Haut, wenn sie z.B. verwundet ist oder Schuppen hat? Das geht tatsächlich vielen so – und nicht nur Hautmenschen. Das sogenannte Skin Picking kann sogar ein (!) Symptom einer Zwangsstörung sein – muss aber nicht. Lies mehr über die Ursachen und Hintergründe zu Skin Picking.
In diesem Artikel erfährst du:
- Was Skin Picking ist
- Worin der Unterschied zu einer Zwangsstörung und selbstverletzendes Verhalten besteht
- Was innere und äußere Trigger für Skin Picking sein können
- Ursachen für diese körperbezogenen repetiven Verhaltensweisen (BFRBs)
- 6 Tipps, was du gegen Skin Picking tun kannst
Skin Picking – Ein Thema, dass viele betrifft
Skin Picking ist so ein Thema: Schon länger wollte ich im Rahmen von Zauberhaut darüber sprechen, aber irgendetwas hielt mich zurück. Nach dem Interview mit Dr. Christina Gallina weiß ich auch warum: Das Thema Skin Picking ist viel komplexer, als man zunächst denkt und betrifft nicht nur Hautmenschen, sondern kann für jeden Menschen gleichermaßen ein Thema sein.
Christina ist Psychologin und arbeitet als wissenschaftliche Mitarbeiterin am Universitätsklinikum Heidelberg. Dort forscht sie nun schon seit einigen Jahren zu Skin Picking und hat auch ihre Dissertation darüber geschrieben. Ihr Ziel ist es, dem Thema Skin Picking im deutschen Sprachraum mehr Aufmerksamkeit zu geben und Betroffene sowie Forscher/innen und Therapeut/innen darauf aufmerksam zu machen. Alle Informationen in diesem Blogartikel stammen aus dem Interview mit Christina.
Hier kannst du dir das Interview mit Christina anhören:
Was ist Skin Picking?
Aber mal einen Schritt zurück: Was ist Skin Picking überhaupt? Wie der englische Begriff schon sagt, geht es um das Kratzen („Pick“) der Haut („Skin“). Konkret um das Aufkratzen von entzündeter, schuppender, abstehender Haut.
Skin Picking gehört zu den körperbezogenen repetiven Verhaltensweisen (engl. „body-focused repetitive behaviors“) – kurz: BFRBs. Damit sind Verhaltensweisen gemeint, wie eben auch das extreme Bearbeiten der eigenen Haut (z.B. Quetschen, Kratzen, Knibbeln) oder das Ausreißen von Haaren und weniger bekannte Verhalten wie das Wangenbeißen, Lippenkauen oder Nägelkauen. Diese BRRBs können auch zusammen auftreten.
Skin Picking und Trichotillomanie (Fachwort für das Haare ausreißen) betrifft größtenteils Frauen, selten Männer.
Ist Skin Picking eine Zwangsstörung?
Nicht jedes Hautknibbeln, Nägel- oder Lippenkauen ist direkt eine pathologische Störung! Das Verhalten Skin Picking ist etwas, dass jeder Mensch über seine Lebenszeit mal mehr und mal weniger hat. Man könnte also sagen, in gewissem Maß ist Skin Picking normal.
Besteht ein diagnostizierter Zwang, bei der Skin Picking ein Hauptsymptom ist (!), spricht man von Dermatillomanie. Dermatillomanie wird weltweit bei 1-2% der Menschen diagnostiziert.
Warum ist der Unterschied zwischen Skin Picking und Dermatillomanie wichtig?
Ich möchte nicht, dass du jetzt denkst, du hättest eine pathologische Störung, nur weil du an deiner Haut knibbelst. Ich möchte Aufmerksamkeit auf das Thema Skin Picking lenken, zwischen Skin Picking und Dermatillomanie differenzieren und dich einladen, mögliche Verhaltensweisen differenziert zu betrachten (der Grad zwischen Verhalten und wirklichem Zwang ist nämlich auch schmal). Viele Informationen über Skin Picking vermischen Zwang und Verhalten und geben Betroffenen das Gefühl, eine psychische Störung zu haben – die sie vielleicht garnicht haben
Skin Picking meint erstmal nur das Verhalten, an der Haut zu knibbeln. Dermatillomanie ist die pathologische Störung, die daraus resultiert und eine anerkannte psychische Störung (deren Hauptsymptom Skin Picking ist).
Wann wird Skin Picking zu einer Störung?
Da haben wir direkt ein Problem: Bei den Diagnosekriterien zu Skin Picking gibt es keinen Parameter zur Häufigkeit. Es ist also nicht ausschlaggebend, wie oft und wie lange man an der Haut puhlt. Die einzigen Parameter bei Skin Picking sind:
- dass man Hautverletzungen bzw. Haarverlust hat,
- dass man nicht aufhören kann, obwohl man es versucht,
- dass man darunter leidet.
Gerade der Leidensdruck und die Einschränkung im Alltag entscheidet stark darüber, ob es sich um eine Störung (also Dermatillomanie) handelt oder ob es „nur“ Skin Picking ist. Das ist bei Hautmenschen mit Neurodermitis, Akne oder Schuppenflechte natürlich eine schwierige Frage (komme ich gleich zu).
Zweites Problem in der Diagnose: Es gibt noch keine Einordnung der Dermatillomanie in Deutschland. Anders in den USA: Da wird Dermatillomanie als Zwangsspektrumsstörung (mit automatisierten Verhalten) eingeordnet. Zwangsspektumstörungen unterscheiden sich von Zwangsstörungen wie z.B. dem Kontrollzwang (mit zwanghaften Gedanken).
Dermatillomanie ist chronisch d.h. es ist beständig da, wechselt aber in der Schwere. Chronisch heißt also nicht, dass die Beschwerden immer da sein müssen, sondern in Abständen immer mal wieder auftreten.
Ist Skin Picking selbstverletzendes Verhalten?
Bei selbstverletzenden Verhalten (wie z.B. Ritzen oder Verbrennen der Haut) ist es ein bewusstes Herbeiführen, während Skin Picking automatisch und unbewusst verläuft. Gleichzeitig ist Skin Picking chronisch, während selbstverletzendes Verhalten nach bestimmten Lebensphasen wieder aufhört. Die Frage wird aus aktueller Studienlage (die noch sehr dünn ist) also mit Nein beantwortet.
Ist jede Hautkrankheit von Skin Picking begleitet?
Man weiß, dass Skin Picking bei Menschen mit Hauterkrankungen häufiger auftritt. Bei Juckreiz ruft der Körper quasi danach, bearbeitet zu werden. Genauso rufen Pickel danach, ausgedrückt zu werden. Hauterkrankung und Skin Picking auseinander zu halten, ist also garnicht so leicht.
Die Frage ist dann: Was war zuerst da? Die Hautkrankheit oder das Skin Picking? Oft entsteht Dermatillomanie mit der Hauterkrankung (eben weil es sich bedingt). Manchmal entstehen aber Hauterkrankungen erst durch das Skin Picking.
Übrigens: Skin Picking wird zwar vermehrt bei Menschen mit Hauterkrankungen beobachtet, kann aber gleichermaßen ein Symptom anderer Erkrankungen sein, häufig zu beobachten während Depressionen, Angststörungen, Traumata oder posttraumatischen Belastungsstörungen.
Lies mehr über die Bedeutung von Juckreiz und meine Tipps gegen Juckreiz >>>
Ursachen für Skin Picking & andere BFRBs
Es gibt äußere und innere Trigger, die Skin Picking auslösen können. Für Skin Picking üblich ist ein automatisiertes Verhalten auf einen Trigger. Tatsächlich ist es auch garnicht selten, dass auf den äußeren Trigger dann ein innerer Trigger folgt z.B. wenn man den ganzen Tag viel im Außen war und dann zur Ruhe kommen will, fängt das Skin Picking an.
Das Sehen der Haut
Häufig sind es bestimmte Situationen, die eine/n Betroffene/n dann dazu verleiten, an der Haut zu puhlen. Das sind äußere Trigger wie z.B. das Vorbeigehen an Spiegeln. Spiegel sind mitunter die größten Trigger, weil man die eigenen Hautunreinheiten und Hautunebenheiten deutlich sehen kann.
Die unbeschäftigte Hand
Gerade für Situationen, wie das Sitzen am Schreibtisch, beim Surfen, beim Lesen, Telefonieren oder das Fernsehgucken nutzen wir oft nur eine Hand. Auch das sind äußere Trigger. Bei vielen passiven Beschäftigungen kommt es unbewusst zu Skin Picking: Die andere Hand wandert dann automatisch in die Nähe zur Haut. Wir berühren unseren Nacken, Rücken, Gesicht oder andere Hautbereiche. Und ganz unbewusst ertasten wir Hautunregelmäßigkeiten – und knibbeln an diesen.
Bestimmte Tageszeiten und Orte
Bei manchen Menschen wird Skin Picking zu einer Gewohnheit zu einer bestimmten Zeit des Tages z.B. beim ersten Gang morgens ins Bad. Oder während der Autofahrt nach der Arbeit. Und wir kennen die Macht von Gewohnheiten – ansonsten lies dazu gern meinen passenden Blogartikel.
Anspannung
Gerade weil Skin Picking oft passiert, wenn wir Herunterfahren, kann man sogar sagen: Skin Picking entspannt die Betroffenen. Das ist ein innerer Trigger. Wo sonst viel im Kopf passiert ist, wird jetzt Entspannung körperlich reguliert. Man verarbeitet den Tag, ist mit Gedanken wo anders (bei der Haut) und so kommt es zu Skin Picking.
Auch wenn du im sogenannten Flow bist (z.B. liest, im Internet surfst oder TV schaust) – und eben vertieft in deine Tätigkeit bist – gerät dein Körper unter Anspannung. In diesem Moment hast du weniger Gehör für deinen Körper, sondern konzentrierst dich auf deine Tätigkeit. Gehst du nun direkt in eine äußere Trigger-Situation, wie z.B. ins Bad zum Spiegel, kann Skin Picking zum Ventil der Anspannung werden.
Stress und Emotionen
Es fällt auf, dass Skin Picking vor allem bei emotionalen Themen auftritt. Denn oft entstehen auch Hauterkrankungen durch emotionale Blockaden, Ängste und Stress. Die Emotionen können dabei sowohl negativ wie auch positiv sein. Und wo soll die ganze Aufregung und Anspannung hin? Wenn wir unsere Gefühle nicht verarbeiten können, verlagert sich das in die körperliche Ebene. Bei manchen Menschen auf die Haut – oder besser gesagt aufs Skin Picking. Das wird dann zum Ventil.
Die Beschäftigung mit der eigenen Haut ist auch etwas, dass den/der Betroffenen sich selbst wieder zu spüren. Mit sich selbst zu beschäftigen. Wieder zurück zu sich zu kommen.
Das kannst du gegen Skin Picking tun
Schnelle Abhilfe
Es gibt einige Möglichkeiten, mit denen du schnell die äußeren Trigger abwenden kannst, sodass du die Haut nicht siehst oder nicht spürst. Ich möchte dir hier eine Auswahl aufzeigen, bei denen ein kleiner Schritt große Hilfe bewirken kann:
- Spiegel abhängen
- Gedimmtes, weiches Licht im Bad
- Baumwollhandschuhe anziehen, während du mit anderen Dingen beschäftigt bist.
- Beiden Händen etwas zu tun geben, z.B. Stricken, Anti-Stress-Bälle
Es gibt noch viele weitere. Stöbere da mal und schaue, was zu dir passt. Für jeden Menschen und jede Situation gibt es eine passende Möglichkeit.
Achtsam mit Stress und Emotionen umgehen
Natürlich kannst du dich dem Stress nicht entziehen. Er umgibt uns körperlich, geistig und seelisch und ist Teil unseres Lebens. Es gibt sogar positiven Stress. Nicht immer ist Stress also negativ – und dennoch passiert in deinem Körper eine Kampf-Flucht-Reaktion und Hormonausschüttung, die Auswirkungen auf die Organregulation, den Blutdruck, die Atmung, Verdauung, Konzentration und noch einiges mehr hat.
Mache Entspannung zu deiner Priorität!
Du kannst mit Stress gesünder umgehen. Einen gesunden und regulativen Weg finden, indem du stetig versuchst:
- in Balance zu kommen und zu bleiben z.B. durch Meditation,
- Grenzen setzt und auch mal Nein sagst und
- besonders gut mit deinen emotionalen und körperlichen Bedürfnissen umgehst.
Einige bekommen beim Thema Entspannung auch direkt wieder Stress – den sogenannten Entspannungsstress. Deswegen: Finde DEINE Balance in DEINER Freude. Nur du spürst, was dich entspannt und gut für dich ist. Wie ich selbst zur Balance in meinem Alltag gefunden habe und welche Tipps ich für dich habe, kannst du auf meinem Blog nachlesen.
Meditieren ist mein Schlüssel zur Gesundheit!
Auf meinem Zauberhaut Blog habe ich eine Anleitung geschrieben, wie du Meditieren lernen kannst und habe aufgeführt, welche Mythen es ums Meditieren gibt (und wie du es nicht angehen solltest). Auf meiner Website findest du viele Meditationen, die du für dich nutzen kannst: Von einzelnen Themen Meditationen bis hin zu Meditationskursen zu den Chakren, zur Manifestation oder mit dem Unterbewusstsein.
Finde heraus, welche Meditation zu dir passt und nutze meinen Meditationsfinder.
Mit dem Körper beschäftigen
Wenn man sensibel ist (was viele Hautmenschen sind), verliert man sich schnell in dem/der Anderen oder im Außen. Oft hilft dann das Zurückkommen zum Körper, um wieder zu sich zu finden. Hat man dafür bisher keinen guten Weg für sich gefunden, kann Skin Picking zur Beschäftigung mit sich selbst werden.
Finde zu deiner intuitiven Bewegung (damit meine ich nicht Sport)!
Tue also wieder mehr mit deinem Körper:
- Gib dir selbst Fußmassagen.
- Mache entspannendes Yin Yoga.
- Oder gehe Waldbaden.
Bei Skin Picking sind häufig Gesicht, Brust, Arme und Beine betroffen. Das sind genau die Stellen, die man selbst gut sieht und auch andere gut sehen. Schau auch mal, was dein Körper dir eigentlich sagen möchte: An welchen Stellen hast du Juckreiz? Dein Körper hat immer eine Botschaft für dich!
EFT Tapping
Kennst du schon die EFT-Klopftechnik? Mit der sogenannten „Emotional Freedom Technique“ kannst du belastende Emotionen loslassen. Und was ich am Tollsten finde: Es ist eine sehr leichte Technik, die du superschnell selbst lernen und bei dir anwenden kannst. Für dieses Thema EFT-Tapping habe ich Kira zu mir in den Podcast eingeladen. Sie leitet zum Ende der Folge sogar eine kleine EFT-Session an – direkt zum Mitmachen (ab Minute 57:30).
Höre dir die Podcastfolge zu EFT Tapping an:
Ich habe auch eine Meditation kreiert, welche die EFT Klopftechnik einbezieht. Löse dich mithilfe einer Klopfakupressur Technik (EFT) von wiederkehrenden Belastungen, Stressgedanken oder Sorgen, die dich in alte Muster zurückwerfen:
Vielfältig um dich sorgen
Körperliche Fürsorge kannst du auf so vielfältige Art noch weiter kultivieren. Wichtig: Stresse dich nicht, alles und am besten sofort umsetzen zu wollen. Mit Stressmanagement, Gedankenhygiene und EFT Tapping hast du schon drei kraftvolle Wege für weniger Skin Picking. Sieh es als Einladung, dass da noch so viel mehr auf dich wartet – und lade es dann ein, wenn du dich danach fühlst. Zum Beispiel:
Positives Selbstbild und Körperbild
Liebst du dich? Erkennst du dich und deinen Körper an? Wie gehst du mit dir um, wenn du doch mal an deiner Haut zu stark geknibbelt hast? Der Umgang mit Schuld und Scham spielt bei Skin Picking eine große Rolle. Emotionen wegdrücken und ein negatives Selbst- und Körperbild können Skin Picking begünstigen. Wir leben (leider) in einer Welt der Perfektion und Optimierung. Störende, scheinbar hässliche Stellen an Körper und Haut sind nicht erwünscht – und werden überschminkt, operiert oder eben weggeknibbelt.
Zum Thema Körperannahme und Körperliebe habe ich mehrere Interviews im Zauberhaut Podcast geführt. Höre gern mal rein, wenn dich das Thema anspricht:
- Selbstliebe vs. Schönheitsideale – Ein Interview mit Roxana Konfetti
- Cellulite, Dehnungsstreifen und Bauchliebe – Ein Interview mit Sandra Wurster
- Dein Körper ist genau richtig – Ein Interview mit Luisa Gaffga
Zum Schluss: Du darfst gesund sein!
Skin Picking – also das Abreißen von Haut – ist irgendwie befriedigend und beschämend zugleich. Dahinter liegt eben diese kurzzeitige Befriedigung, etwas weggemacht zu haben. Unser Belohnungszentrum wird aktiviert – aber geht nach kurzer wieder aus. Deswegen wiederholen wir solche Verhaltensweisen (sogar noch mehr, wenn nach der Befriedigung Selbstvorwürfe folgen).
Und Verhaltensweisen lassen sich nicht einfach mit Willenskraft ändern. Oft nehmen sich Betroffene vor, dass sie ab morgen aufhören mit dem Skin Picking – und sind dann noch enttäuschter, wenn sie das nicht geschafft haben. Gib dir also Zeit, Liebe und Mitgefühl. Denn gleichzeitig tendieren wir Menschen dazu, lieber Dinge wegzudrängen, zu ignorieren, aufzuschieben. Das liegt in unserer Natur und macht den bewussten Umgang mit Körper, Geist und Seele so schwer.
Gleichzeitig liegt genau in der Bewusstheit die Kraft. Im bewussten Umgang mit deinen Emotionen. Automatismen zu reflektieren und in tiefere, innere (und äußere) Zusammenhänge zu sehen. So wächst du über dich hinaus. So wirst du dich von Problemen wie Skin Picking befreien können.
Du kannst z.B. auch auf skin-picking.de nach Selbsthilfegruppen vor Ort suchen. Und auch ich bin Online für dich da!
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